Naturschutz im Garten

Naturschutz im Garten

Naturschutz im Garten

statt Englischer Rasen


Düstere Zahlen der gemeinnützigen Organisation Birdlife:

 

Jede achte Vogelart könnte bald schon aussterben, allein Nordamerika soll seit 1970 drei Milliarden Vögel verloren haben. Im Gebiet der EU waren es 600 Millionen und auch bei uns in Bayern schaut es schlecht aus. Die Hälfte der 206 bayerischen Brutvögel ist bedroht, 133 von ihnen stehen auf der Roten Liste.

 

Vögel schützen – Natur erhalten

 

Wissen Sie noch? Das war ein Erfolg, das war eine Freude. „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen“ war das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte des Freistaats. Über 1,7 Millionen Wahlberechtigte hatten damals unterschrieben, weil man den Artenschwund in Bayern stoppen und die noch vorhandene Artenvielfalt konsequent schützen wollte. Und dann haben manche dieser engagierten Menschen auch weiterhin ihren Rasen schön kurz gemäht und damit der Natur im eigenen Garten keine Chance gegeben.

 

Gewohnheit  oder Gedankenlosigkeit?

 

Vielleicht ist uns nicht bewusst, dass der Schutz der Umwelt, der Natur und deren Bewohner am einfachsten im eigenen Garten beginnen kann. Es genügt nicht, mal schnell zu unterschreiben. Man muss den guten Willen umsetzen, was eigentlich ziemlich einfach geht und obendrauf noch viel Arbeit spart. Ungeachtet des Bundesnaturschutz – Gesetzes, nachdem es ohnehin verboten ist, zwischen 1. März und 30. September Bäume, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze außerhalb des Waldes zu schneiden, kann ein guter Wille viel bewegen. Muss man tatsächlich die gesamte Fläche vor dem neuen Häuschen mit Kieselsteinen zuschütten? Braucht man tatsächlich einen englischen Rasen, kurz gehalten und einfach nur langweilig, ohne Wildkräuter, ohne wildwachsende Blumen und Blüten?


In einigen Gärten läuft fast täglich der Rasenroboter, obwohl in einem Test keines der 18 untersuchten Modelle z. B. einen Igel ohne Berührung erkannte. Auch stoppten sie nicht für Igelbabys, die im Ernstfall auf grausame Art getötet worden wären. Muss das sein? In einem anderen Test hätten sieben von acht Mährobotern einen liegenden Kinderarm verletzt (Stiftung Warentest/Zeitschrift «Test» 4/2022 oder online auf www.test.de). Warum nicht etwas Fläche im Garten dem Wildwuchs überlassen? So unterstützt man die Artenvielfalt, für die man ja schon unterschrieben hatte, auch aktiv. Es kommen Blüten, mit ihnen Insekten und mit denen wiederum Vögel, die es mit diesen kleinen Veränderungen leichter haben. Lässt man sich erst einmal darauf ein, wird man staunen, wie viele vom Menschen zu „Unkräutern“ degradierte Pflanzen wunderschöne Blüten tragen können. Das dazugehörige Getier zu beobachten, sich wieder etwas Zeit zu nehmen für die ganz kleinen Dinge des Lebens, lässt das Herz des Gartenbesitzers unter Umständen sogar höherschlagen als der englische Rasen. Wenn man dann auch noch das alles, was plötzlich im eigenen Garten los ist, seinen Kindern spannend erklärt, könnten die von solchen Live-Erlebnissen begeisterter sein als vom neuesten Computerspiel.

Spatz

Die Bestandsaufnahme von Experten ist düster: Viele Vogelarten vom Aussterben bedroht – und der Spatz verschwindet aus den Städten

 

Der Spatz, oder Haussperling, wie er eigentlich heißt, war schon vor Jahrtausenden ein cleveres Tierchen und merkte, dass es sich in Menschennähe gut leben lässt. Es fielen immer ein paar Krümel ab, in Holzzäunen und Hütten war immer irgendwo eine Ritze frei und in Gebüschen und Hecken konnte er gut Nest bauen und Eier ungestört ausbrüten. „Es war super für den Spatz, bei uns zu leben“, sagt die Expertin beim Landesbund für Vogelschutz (LBV), Lorena Heilmaier. Und heute? Das Bayerische Landesamt für Umwelt führt den Vogel bereits seit 2016 in der Roten Liste der gefährdeten Tiere Bayerns. Die Bestände des Haussperlings sind rückläufig, eine kurzfristige Bestandsaufnahme zeigte einen Rückgang um mehr als 20 Prozent und Lorena Heilmaier drückt es so aus: „Als Charaktervogel der bayerischen Biergärten ist der Hausspatz auf der Suche nach Brezenbröseln unter Biertischen im Freistaat mittlerweile verschwunden.“

Traurig – aber woran liegts?

 

Der Spatz findet nicht genügend Nahrung, denn am liebsten mag er Grassamen und Insekten. Vor allem in den Städten mangelt es mittlerweile an beidem. Doch auch im Umland schaut es düster aus. Wegen der intensiven Landwirtschaft finden auch Spatzen immer weniger Insekten. Vor wenigen Jahrzehnten waren Getreideäcker mit bunt blühenden Wildpflanzen ein normaler Anblick. Dann verschwanden diese als Unkräuter bezeichneten Wildpflanzen von den Flächen. Kaum eine Pflanzengruppe ist im Laufe der Zeit so verarmt wie die Ackerwildkrautflora. Ohne sie finden viele Insekten keine Nahrung mehr. Dabei bietet die Erhaltung dieser Flora auch Vorteile für die Bodenfruchtbarkeit, beugt der Bodenerosion vor und dient nicht zuletzt der biologischen Nützlingsförderung.

Bekassine

Die „Randerscheinung eines Ackers“: Insekten freuen sich über eine Vielzahl an Blüten.Die Ackerwildkräuter sind ausschließlich von der Art der Bewirtschaftung abhängig. Umso erfreulicher, dass es mittlerweile auch immer mehr Landwirte gibt, die bewusster mit der Artenvielfalt umgehen als so mancher im eigenen privaten Garten. Der Landwirt kann die natürliche Blütenvielfalt des Ackers durchaus zulassen, denn nur wenige Wildkräuter werden zum Problem. Die meisten Arten kann man leicht tolerieren, so z. B. Acker-Stiefmütterchen, Acker-Frauenmantel, Acker-Vergissmeinnicht oder Ackerröte. Gerade diese regional typischen Pflanzen sind für viele Tiere, insbesondere Insekten, besonders wertvoll. An diese Blütenvielfalt sind über 1200 Tierarten angepasst. So frisst z. B. die Raupe des Kleinen Perlmutterfalters ausschließlich an Acker-Stiefmütterchen, die solitäre Zweizellige Sandbiene ist auf Pollen einjähriger Kreuzblütler, wie Ackersenf, spezialisiert. Mittlerweile gibt es viele seltene Kräuterarten, die wir nicht einmal mehr kennen und die fast vollständig aus unserem kulturellen Gedächtnis verschwunden sind, wie Feldrittersporn, Venuskamm, Acker-Hahnenfuß oder Echter Frauenspiegel und viele andere. Gedeihen diese Arten auf dem Acker, blüht da etwas ganz Besonderes, auf das der Landwirt zu Recht stolz sein kann, während der englische Rasen in privaten Gärten dazu führt, dass wichtige Wildpflanzen nicht zum Blühen kommen und so eine weitere wichtige Nahrungsquelle der Spatzen versiegt.

Da fragen wir uns an dieser Stelle: Brauchen wir ihn wirklich, diesen „gschlecktn“ englischen Rasen? Oder freuen wir uns nicht lieber an den frech-cleveren Vögeln im ostbayerischen Biergarten und haben ein bisschen was übrig für ihn? Auch wenns nur ein Spatz ist und nur ein Stück unseres Gartens …

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